Arbeitgeberseitige Pflichten zur Offenlegung
von Beschäftigungsbedingungen –
Verfassungsrechtliche Grenzen
Vortrag von Prof. Dr. Alexander Roßnagel
Universität Kassel
Kommentare:
Michael Fischer, Friedrich-Ebert-Stiftung
RAin Dr. Miriam Saage-Maaß, European Center for Constitutional and Human Rights
RA Heribert Jöris, Geschäftsführer Handelsverband Deutschland
Rainald Thannisch, Deutscher Gewerkschaftsbund
Im ersten Teil des Forums soll die Frage diskutiert werden, inwieweit die Etablierung gesetzlicher Verpflichtungen der Arbeitgeber zur Offenlegung von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen dazu beitragen kann, Missstände in Unternehmen an die Öffentlichkeit zu bringen, Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern nachhaltig zu verbessern und eine bessere Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen. Schlechte, teils menschenunwürdige Beschäftigungsbedingungen werden meist im Zusammenhang mit Billigproduktionen in Entwicklungsländern diskutiert. In jüngster Zeit haben aber auch Berichte über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und prekäre Beschäftigungssituationen beispielsweise in Schlachthöfen zu lebhaften Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt. Häufig werden derartige Missstände aber nur zufällig bekannt. Die bereits heute nach deutschem und europäischem Recht existierenden Berichtspflichten gelten nur für bestimmte Unternehmen; sie sind zudem auch nicht ausreichend, um konkrete und verbindliche Berichte über soziale Aspekte in Unternehmen zu gewährleisten. Auch die freiwillige Nachhaltigkeitsberichtserstattung im Rahmen von CSR gewährleistet keine Transparenz hinsichtlich nichtfinanzieller Leistungsindikatoren. Gesetzliche Offenlegungsplichten können dazu beitragen, die Öffentlichkeit für bestimmte Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen bestimmter Unternehmen zu sensibilisieren und Arbeitnehmern die für bessere Rechtsdurchsetzung notwendige Tatsachenkenntnis verschaffen. Möglichkeiten, Zulässigkeit und Grenzen solcher Offenlegungspflichten müssen im verfassungs- und europarechtlichen Kontext analysiert und bewertet werden. Diese und andere Fragen sollen in Forum 6 mit den Referenten und Kommentatoren ausführlich diskutiert werden.
Bessere Rechtsdurchsetzung durch Verbandsklagerechte und Hemmung von Ausschlussfristen?
Vortrag von Prof. Dr. Armin Höland
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Kommentare:
RAin Ingrid Heinlein, Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht
Nordrheinwestfalen a.D.
Karsten Jessolat, DGB Rechtsschutz GmbH
Prof. Dr. Holger Brecht-Heitzmann, Hochschule der Bundesagentur für Arbeit,
Schwerin
Im zweiten Teil des Forums soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit ein gesetzlich verankertes Verbandsklagerecht der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gegen Tarifbruch und bei Verstoß gegen gesetzliche Mindestarbeitsbedingungen eine bessere Rechtsdurchsetzung im Arbeitsrecht ermöglicht. Statistiken zeigen, dass die Individualklage nur selten genutzt wird; der einzelne Arbeitnehmer macht – egal ob es um die Durchsetzung von Lohnansprüchen oder die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Kündigungen geht – nur selten von der gerichtlichen Geltendmachung in Form der Individualklage Gebrauch. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Probleme der Rechtsdurchsetzung im Arbeitsverhältnis sind geprägt von dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden strukturellen Ungleichgewicht. Häufig ist es die Angst vor Repressalien bzw. die Rechtsunkenntnis, die Arbeitnehmer von der Geltendmachung der ihnen im Rahmen von Arbeitsverhältnissen zustehenden Rechte abhält. Gerichtliche Auseinandersetzungen finden, wenn überhaupt, meist erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses statt. Häufig sind die Ansprüche aufgrund von Ausschlussfristen dann jedoch erloschen. Hier könnte ein Ausbau von Verbandsklagerechte ansetzen und eine bessere Rechtsdurchsetzung ermöglichen. Sie würden gewährleisten, dass sich Gewerkschaften aus eigenem Recht für die Sanktionierung bzw. Feststellung von Tarif- und Gesetzesverstößen einsetzen könnten. An die gerichtliche Entscheidung müsste der Arbeitgeber dann für alle vergleichbaren Fälle gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gebunden sein. Um die Durchsetzung individualrechtlicher Ansprüche durch den einzelnen Arbeitnehmer nicht einzuschränken, müssten die Verjährungs- und Ausschlussfristen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verbandsklage gehemmt sein. Die heutige Rechtslage in Deutschland ermöglicht dies nicht in einem ausreichenden Umfang. Der DGB fordert die Ausweitung von Verbandsklagerechten seit Langem; auch die EU ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten ihre kollektiven Rechtsschutzmöglichkeiten ausbauen sollen. Mit dem Ziel der Ermöglichung besserer Rechtsdurchsetzung soll im zweiten Teil des Forums 6 insoweit die Frage der Notwendigkeit und der Ausgestaltung solcher Verbandsklagerechte sowie über die Hemmung bzw. Einschränkung von Ausschlussfristen diskutiert werden.
Moderation:
Dr. Nadine Zeibig,
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung
Dr. Andreas Priebe,
Hans-Böckler-Stiftung
Prof. Dr. Alexander Roßnagel
Dr. jur., Universitätsprofessor für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Recht der Technik und des Umweltschutzes an der Universität Kassel.
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Michael Fischer
Referent für Gewerkschaften und Mitbestimmung in der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn
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RAin Dr. Miriam Saage-Maaß
ist promovierte Rechtsanwältin und stellvertretende Legal Director beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) ...[mehr]
RA Heribert Jöris
Geschäftsführer Recht, Bildung, Arbeit beim Handelsverband Deutschland - HDE
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Rainald Thannisch
DGB Bundesvorstand, Abteilung Mitbestimmungspolitik, Berlin
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Prof. Dr. Armin Höland
Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Recht der sozialen Sicherheit an der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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RAin Ingrid Heinlein
Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht
Nordrheinwestfalen a.D.
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Karsten Jessolat
Leiter des Gewerkschaftlichen Centrums für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH in Kassel ...[mehr]
Prof. Dr. Holger Brecht-Heitzmann
Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit in Schwerin ...[mehr]
Dr. Nadine Zeibig
leitet das Referat Arbeits- und Sozialrecht am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf
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Dr. Andreas Priebe
ist Leiter des Referats Arbeitsrecht in der Abteilung Mitbestimmungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf
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Forum 6
am 26. März, 10.00 Uhr
Pause von 11.30 bis 12.00 Uhr
FES/Haus 2, 6. Etage, Raum 6.01
LITERATURHINWEISE UND LINKS
Prof. Dr. Alexander Roßnagel, Verfassungsrechtliche Fragen und verfassungsrechtliche Grenzen gesetzlicher Pflichten zur Offenlegung von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, Gutachten für das WSI der Hans-Böckler-Stiftung, im Erscheinen
Prof. Dr. Armin Höland, Evaluierung der Effektivität kollektiver Rechtsschutzinstrumente, Gutachten für das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,
Download hier
Prof. Dr. Armin Höland, Verbandsklagen im Verbraucher- und im Sozialrecht – vergleichende Überlegungen, Kurzfassung in Thesen,
Download hier
Prof. Dr. Eva Kocher, Verantwortung braucht Transparenz, Die rechtliche Verankerung unternehmerischer Pflichten zur Offenlegung von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, WISO-Diskurs Mai 2012,
Download hier
Prof. Dr. Eva Kocher, Gesetzesentwurf für ein Verbandsklagerecht im Arbeitsrecht, edition der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 72
Download hier
Prof. Dr. Holger Brecht-Heitzmann, Tarifliche Ausschlussfristen, kommentiert in Kempen/Zachert, TVG-Kommentar, 5. Auflage, § 4 Rn. 607ff.
Dr. Miriam Saage-Maaß, Menschenrechte und transnationale Unternehmen - werden die bestehende Menschenrechtskonzeption und Rechtsmittel den Realitäten gerecht?, in: Menschenrechte in die Zukunft denken, 60 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Hans Jörg Sandkühler (Hrsg.), Baden-Baden 2009, S. 159 – 180
Dr. Miriam Saage-Maaß, Fairer Wettbewerb weltweit! Am Beispiel "Lidl-Klage", in: Gegenblende, Ausgabe 4 Juli /
August 2010, siehe hier, in Zusammenarbeit mit: Anna von Gall
Rainald Thannisch/Deutscher Gewerkschaftsbund, Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Vorschlag der EU-Kommission für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates im Hinblick auf die Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Gesellschaften und Konzerne,
Download hier
Deutscher Gewerkschaftsbund, Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur CSR-Mitteilung der EU-Kommission vom 25.10.2011,
Download hier
Gisela Burkhardt, Soziale Indikatoren in Nachhaltigkeitsberichten – Freiwillig, verlässlich, gut?, WISO-Diskurs November 2012,
Download hier
EU-Kommission, MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN "Auf dem Weg zu einem allgemeinen europäischen Rahmen für den kollektiven Rechtsschutz", Straßburg, den 11.6.2013 COM(2013) 401 final,
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EU-Kommission, EMPFEHLUNG DER KOMMISSION vom XXX Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten, C(2013) 3539,
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